Sonntag, 22. April 2012

gentle impulsion

Untitled by smallcutsensations

Du nimmst eine Biografie aus dem Regal, ein dünnes Bändchen von Suhrkamp, blätterst mit gelangweiltem Blick durch die ersten zehn Seiten, liest hier einen Satz, da einen Abschnitt. Erst dann wird dir bewusst, was für ein Mensch da beschrieben wird. Du stellst das Buch zurück ins Regal, beinahe an den richtigen Platz, und nimmst ein neues Leben in Papierform in die Hand. Als wäre es langweilig, in den Existenzen anderer herumzulesen, wiederholst du dieses Prozedere mehrere Male, bis du schließlich mit einem Gähnen aufgibst und mit wissenshungrigem Blick auf dein Telefon starrst. Du weißt schon, so wie die Leute, die am Morgen ihre Tageszeitung aus dem Briefkasten holen und noch auf der Stufe vor der Haustür anfangen zu lesen.
Und dann ist da dieses dicke Heftchen von Reclam, wie es in deine Hand gelangt ist, weißt du schon gar nicht mehr; das musst du alles intuitiv gemacht haben, im Tran, da vor dem Schullektüreregal. Wikipedia auf einem Bildschirm zu lesen war dann doch etwas anstrengend; immer diese Schmerzen in den Augen, verwischte Wimpern, Tränenflüssigkeit. Vielleicht ist es aber auch nur die Schwere der kleinen Literaturgeschichte in deiner Hand, grün brennt sie sich in deine Handfläche, so wie Hoffnung in manch anderer Menschen Herz, und du fragst dich, was an dieser Geschichte jemals klein war außer den Buchstaben in den Fußnoten und dem, was man sich davon im Kopf behalten wird. Ignoranz, ein kaputterinnertes Langzeitgedächtnis, der Geruch von gegorenem Bratfett vom Schnellimbiss gegenüber: morgen ist auch ein Tag.

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wir stehen hier schon eine weile, die lichter der autos im dunkler werdenden verkehr rauschen in zeitraffergeschwindigkeit an uns vorbei. du hast die fahrertür leicht geöffnet, etwas abendluft fließt durch den spalt in meine nase, es gibt keinen staub mehr, den ich sehen kann.
und sonst, frage ich, damit ich dir nicht weiter beim weinen zuhören muss, ohne untätig zu sein, und sonst, was hat das leben mit dir gemacht?
als hättest du nur darauf gewartet, dass ich dich so anspreche, deine wangen müssen doch schon fast salzig schmecken, ein blick voller wut und unverständnis. im radio sprechen sie wohl von unwetter, das passt ganz gut, ich kann das donnergrollen, das sich in deinem inneren spiegelt, schon fast greifen. ein dunkles erinnern an die golden glänzenden haare in der untergehenden sonne, ein glanz von vor einer viertelstunde, längst vergessen.
was soll es schon mit mir gemacht haben, alle sind weg und ich bin noch hier und du bist ein anderer mensch, beinahe so, wie du es vermutet haben musst, wir haben zu viel fahrt aufgenommen und darüber sprechen können wir nicht mehr. im ohr ist irgendetwas gekappt, es klackt vor sich hin, ein wenig herzschlag, mein puls in deinen händen. nie gesagt.
zugeschlagene tür, du drehst den schlüssel wieder gen zündung. noch tropft es auf deine beine, du wischst das lenkrad sauber mit einer armbewegung, die so aussieht, als hättest du sie lange eingeübt; ich weiß nicht, was du eigentlich von mir willst.
ein umgelegter schalter, die beklemmung, die sich in die sehnen frisst, leere augen beim blick in den rückspiegel. vielleicht bist du auch schon lange nicht mehr hier.


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ich danke dir.