Dienstag, 19. Juni 2012

I watch the city as it burns at night

Untitled by smallcutsensations

Untitled by smallcutsensations

die vergilbte pappkiste in der überdimensionalen schrankwand, dunkles holz, holz, das meine eltern nicht wollen. in der kiste erinnerungen der letzten fünfundfünfzig jahre und noch darüber hinaus, bilder meiner vorfahren, menschen, denen ich ähnlich sehe und denen ich nicht ähnlich sehen will. bilder meiner mutter, die früher wohl viel dokumentiert haben muss, ihr verliebter blick zu meinem vater, ihr liebevoller blick auf meine große schwester. bilder meiner großen schwester, bilder von meinem vater. ein bild vom rad des kinderwagens, in dem ich gelegen haben muss, als ich gerade geboren worden war, mehr nicht, ansonsten ein nichts. der stachel in meiner brust. ich nehme das eine oder andere foto heraus, nirgendwo bin ich zu finden, häuser, aufbau einer wohnsiedlung in der ddr, ein landeanflug auf ein irgendwo, fotos von silvester in einer plattenbausiedlung. alles andere lege ich wieder feinsäuberlich in die vergilbte pappkiste, jedes mal aufs neue, wenn ich alleine bin in diesem haus: ein gang zur schrankwand, ein erneuter versuch, bilder, die meine existenz dokumentieren, zu finden. ein scheitern. gelegentlich frage ich mich, ob sie sich deswegen schuldig fühlt oder wegen der antwort, die sie mir mal gab auf eine frage, die ich nie stellte. ich habe doch schon fotos deiner schwester, wozu brauche ich da noch fotos von dir? es gibt sätze, die ich nicht verzeihen kann.
mein tapsen die treppe herunter, krümel von brötchen noch an den fußsohlen, das knacken im holz. ich tapse, gehe, stolpere in eine etage, früher bin ich ganz oft eben jene treppe, die ich gerade nutze, heruntergefallen. all die gegenstände in meinen armen, ich gehe lieber ein mal zu wenig als zu viel, die türklinke drücke ich mit meinem ellenbogen auf. im durch-den-rahmen-rutschen noch ein blick auf das gedicht von rilke, das an meiner tür hängt. ich lasse all die sachen auf das bett fallen, das mahnend mit dem fußende zum fenster, zum licht, in der stille liegt. über meinen kopf ziehe ich das shirt aus, von dem alle sagen, es gefalle ihnen, heute fand ich es schön, manchmal ist es mir in der sonne zu dunkel; die grafik, die man darauf sehen kann, will ich auf einem meiner oberschenkel tragen, dort, wo nur menschen es sehen können, denen ich erzählen mag, wieso das, was sie sehen, sich eben an dieser stelle befindet. ich lege meine kleidung achtlos auf den stuhl, den ich nie benutzt habe, während ich hier noch permanent gewohnt habe, drehe mich langsam richtig spiegel und fahre mit meinen fingern die hämatome nach, die auf meiner haut blühen. unter dem rechten schulterblatt, über dem hüftknochen, am knie, mittig auf dem oberschenkel - direkt neben den pigmentflecken, die so aussehen wie eine miniaturversion von berlin und dresden - und an meinem brustkorb, linke seite. dieses mal kann ich sie mir nicht erklären, vielleicht bin ich ja im schlaf doch die treppe heruntergefallen oder habe mir in dem unbequemen bett in meinem zimmer beigebracht, wie ich auf keinen fall jemals wieder schlafen sollte. letztlich drückt mich die stille und die traurigkeit in diesen vier wänden noch mehr mit dem rücken in die matratze und ich brauche paulo coelhos der alchimist, um irgendwie einschlafen zu können, ohne das gefühl zu haben, ich sei einsam.

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