Mittwoch, 3. April 2013

my body's like a wave, breaking into the sea

Untitled by smallcutsensations

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Ich weiß nicht wieso, aber diesmal muss ich mich zu dem hier zwingen. Nicht, weil ich nicht darüber schreiben wollte (man gibt ja letztlich nur ausgewähltes wieder, nicht alles, das ist schließlich mein sicherer Ort) sondern weil ich irgendwie nicht darüber schreiben konnte. Und her ist es auch schon ein paar Tage.
Das Salzwasser habe ich mir aus dem Gesicht gewischt wie Wimperntusche, dieses brennt allerdings nicht so stark; an den Reinigungstüchern klebe ich, das Ibuprofen spült schon durch mich hindurch. Immer die Symptome bearbeiten, das kann man gut und es ist angenehmer, sich nicht mit dem schwarzen Stachel in der Brust zu beschäftigen. Der potenzielle Schmerz, das verstehe ich alles, ich bin nicht anders, aber auch der Schmerz geht vorbei. Vielleicht muss es wirklich den einen Menschen geben, an dem man scheitert.

fünfunddreißig
Ich bin müde und das sieht man auf meiner Haut; alles spannt, ich wate durch Sonne, mal wieder fast zu spät. Die Sicherheitsvorkehrungen haben nicht funktioniert, sie geht neben mir die Treppe herunter, ich gehe sie gerade hoch, ich ziehe noch in Ruhe den Mantel aus. Wir reden über die Sonne als wir in den Therapieraum gehen und ich versuche schon, den leeren Raum darin anzuordnen.
Wir sitzen, ein Plastikbecher mit Wasser aus dem Spender auf dem Tisch und die runden Formen, die die Sonne malt in all den Streifen hier im Raum. Es geht um meine Hausarbeit und die Abgabe, wie ich vor dem Zimmer des einen Dozenten stand und er vor mir und ich ihn einfach nicht fragen konnte, was nun meine Note ist. Ich sage ihr, dass ich da an meine Sozialphobie dachte und die durchgeschriebene Nacht und die zwei Stunden Schlaf. Ich glaube, es ist verständlich, dass man sich da erschrocken hätte. Immerhin haben Sie die Arbeit abgegeben.

Die Anekdote, dass ich im Bad auf dem Boden lag, wie sehr mich Ibuprofen durch den Alltag schleift. Sie erzählt mir von ihrer Weisheitszahnoperation, mich beruhigt das trotzdem nicht. Immer diese Angst vor Schmerzen, denen ich sowieso nicht aus dem Weg gehen kann. Je länger ich es laufen lasse, desto schlimmer wird es. Wie an der Seele, wenn man den Schmerz so lange laufen lässt, bis er irreparable Schäden hinterlässt. Irreparabel, unumkehrbar - eigentlich sind das grausame Worte.
Der Weisheitszahn meldet sich zurück, sobald man von ihm redet. Ich krame eine Aspirin aus dem Rucksack, sie schenkt mir Wasser nach. Aus Scherz sage ich ihr, dass aller Herzschmerz nichts ist gegen meine Schmerzen und dass man, wenn man mit Schmerzmitteln voll ist, sich irgendwie ähnlich dumpf anfühlt wie in einer dieser Egalphasen der Depression. Sie schaut besorgt. Haben Sie keine Angst.

Wir sind zurück bei den Lebensgeboten aber so wirklich arbeiten wir nicht daran. Ich fühle mich auf einmal ziemlich beklommen, das kann nicht das Aspirin sein, das kann keine Nebenwirkung vom Ibuprofen sein, das muss Raubbau am Herzen sein. Sie erzählt mir von der Spiel- und der Motivationsebene und was eine frustrierte Motivation alles anrichten kann im Kontext eines dysfunktionalen Selbstbildes.
Was würden Sie gerne sagen? Ich muss lange überlegen, sage etwas und dann ist das pure Aussprechen eben dieser Worte, es fühlt sich an wie ein Halbmarathon: Ich mag es nicht, dass ich mich trotz allem schuldig fühle. Die Sonne zieht wieder vorbei, hinter Wolken und Grau und die Gerippe der Bäume. Was für ein Frühling. Wie würden Sie Schuld definieren? Eine lange Pause; eine sehr gute Frage. Mir fehlen die Worte, das passiert häufig in letzter Zeit. Dass ich vielleicht nicht alles getan habe, was ich hätte tun können. Mir ist bewusst, dass ich da wieder den Fehler mache, alles in Retrospektive zu bewerten. Sie erzählt mir eine Geschichte, die mich mich selbst hinterfragen lässt, ich reiße die Augen auf, weil sie mir schon vom puren Erzählen nur wehtut und ich nicht genau weiß, wo ich mit meinen Gefühlen hin soll. Sie haben keine Schuld. Sie haben gekämpft wie eine Löwin, als Sie sich kennenlernten, war keiner von Ihnen beiden gesund, Sie waren es definitiv nicht. Heute sind Sie gesünder als damals, auch wenn es nicht so vorkommen mag, weil Sie heute allein sind. Gesünder? Ich rekapituliere das letzte halbe Jahr, die Abwesenheit, meine punktuelle Wut, mein Aufenthalt in der Psychiatrie, der Stempel der Bekloppten, den ich mir auf die Stirn suggeriere. Ich komme nicht dazu, den Spiegel, den man mir vor die Augen hält, wahrzunehmen. Ein Geben und Nehmen muss das wohl sein.
Wissen Sie, Sie haben wirklich getan, was Sie konnten. Sie haben signalisiert, Sie sind da, dass Sie greifbar sind, wenn etwas ist. Hat sich daran etwas geändert? Nein, aber diese selbsterfüllende Prophezeiung, dass ich nichts dagegen ausrichten konnte, die hat sich tief in mich hineingefressen. Bei einer selbsterfüllenden Prophezeiung ist der Betroffene auf der Spielebene, auch wenn sie von der Motivationsebene durchzogen ist. In der Richtung, mal sehen, wie man reagiert, wenn alles getan wird, damit die Prophezeiung eintritt. Letztlich ist es wirklich ein Spiel, das aus einer frustrierten Motivation, wie eine Ihrer Oberannahmen, gespeist wird. Man hat gewonnen, wenn die Oberannahme bestätigt wird, man hat aber ebenso gewonnen, wenn die Motivation endlich befriedigt wird. Wir münzen das auf mich. Aber habe ich dann nicht gewonnen, also wenn man es gemein sagt? Ich denke schon. Den Ausgang bestimmen aber nicht Sie, sondern derjenige, der die Prophezeiung ausspricht. Das ist mir bewusst. Und ich sage ihr nicht, dass dieses ganze Spiel, dieses krampfhafte Festhalten an dieser Prophezeiung meine Oberannahmen bestätigt. Ich wollte keinen Zentimeter zwischen der einen und der anderen Haut und trotzdem schneiden sie mit dem Messer selbst die Luft zwischen uns kaputt.
Ich trete nicht nach. Ich will niemanden kaputt machen. Ich verlange nur absolute Ehrlichkeit zu sich selbst. Sie lächelt, ich merke wie der Schmerz in meinem Kopf abnimmt. Sie vergessen nur, dass Sie immer noch zwei Schritte vor ihm stehen.
Es ist so, als würde sie um meine Seele kämpfen und um meinen Ausblick und ich weiß, dass alles immer in Wellen kommt, dass letztlich alles gut wird, dass ich ein Leben habe, das ich leben kann. Sie zieht mich mit und ich habe einfach nur Angst vor Wiederholungen. Ich hätte mir gewünscht, er hätte um mich gekämpft, wie ich monatelang für ihn. Das sage ich ihr vielleicht bei der nächsten Sitzung. Heute ist es zu sehr Knoten in meiner Brust.

Wir sehen uns erst in der ersten Vorlesungswoche wieder, über Ostern ist sie nicht da. Im Wartezimmer mache ich mir nicht die Mühe, die dort Sitzenden zu grüßen, die Sitzung hat sehr wehgetan. Ich spiele mit dem Gedanken, dort hinzufahren, wo ich aufgewachsen bin, verschiebe es aber auf einen anderen Tag.

she says "nothing seems the same" and "I can't feel a thing"

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ich danke dir.