Dienstag, 2. April 2013

I won't ease your strain

Untitled by smallcutsensations

Früher war es schön. Eiscafé auf der linken Seite, die Blumen in Betonkübeln auf der rechten Seite, Springbrunnenregentropfen auf meinen Wangen, meine ganz persönliche Gischt. Wir waren nie an der Ostsee, vielleicht lag es an dem Hund und den Katzen, vielleicht lag es an uns.
Stattdessen fuhren wir ins Grün, das waren die Holzsplitter der kleinen Brücke über den Bach in meinen Fußsohlen und der Federball, der nie dort landete, wo ich ihn hinschoss. Ob das normale Sommer waren, werde ich nie erfahren und etwas anderes kenne ich sowieso nicht. Nie kennt man irgendetwas anderes, wenn die Erinnerung verfärbt ist in blass und sonnenbrandrot.

Sie trug weiße Streifen an ihrem Hals, das kam von den Falten, der Rest rostbraun, ihre Haut musste eigentlich schon abfallen. Dabei trug sie immer Sonnencreme mit dem geringsten Lichtschutzfaktor und schimpfte auf zu wenig Sonne. Unter der Dusche wusch sie sich den Dreck von den Füßen, mal war es Sand, mal war es Erde, dort war es Gras, meist aber war es der Staub, der in den Teppichen gefangen war. Vorausgesetzt, sie verlor mal ihre unansehnlichen Hausschuhe. Daher muss wohl meine Aversion rühren, die gegen zu lange zweite Zehen und meine Freude darüber, dass sich bei mir alles gleichmäßig zum kleinen Zeh verjüngte.
Ein Großteil der Tage war gefüllt mit dem Quietschen der alten Dielen in diesem viel zu kleinen Haus, stickige Luft und der Geruch von Waschmittel, der mir nicht gefiel. Ich las und ich schrieb, die merkwürdige Stimmung und all die Knoten in meiner Brust füllten den Raum, wie immer.
Die Angst, dass man Staub ansetzt, innerlich, vor sich hin schimmelt wie etwas lieblos liegengelassenes; womöglich treibt das einen immer um. Deswegen nimmt man herrenlose Bücher mit nach Hause, sammelt Worte wie Schätze, hortet Erinnerungen aus Stacheldraht.

Er erzählte nie viel, er atmete meist neben uns und hielt seine Hände über uns, um uns vor Säure zu schützen. Trotz allem fraß sie sich durch ihn und uns bis zum Boden. Es roch nach Wald und Pilzen, Bratwurst und der Endstation in meinem Kopf. An meiner Windjacke hingen noch die braunen Nadeln, alle sieben Jahre verlieren selbst die Nadelbäume ihr Kleid, meine Hände in Blaubeeren getränkt.
Gelegentlich fotografierte sie, vornehmlich das große Ganze. Die Bäume, wir sahen immer so klein aus, so wenig Nähe wie möglich. Oder es waren die unwirklichen Bauten aus sozialistischen Zeiten in unseren Rücken oder wir waren von ihnen umringt. Aufgebrochen von dem einen oder anderen Bild mit Tier.
Trotz allem zerfloss ihr was auch immer sie dokumentieren wollte. Eine Etage über uns verbrannte man Familiendokumente, die Feststellung, dass das Erinnern irgendwann aufhört, dass das Akkumulieren der verschiedenen Stadien von etwas Vergänglichem sinnlos ist, dass Vergänglichkeit das Wesen der Menschen und Dinge ist.

Es hat lange gedauert bis ich bemerkt habe, dass um mich herum alles beginnt sich zu zersetzen, vor sich hin zu schimmeln, ganz in Ruhe. Blasse Farben und mein Wunsch zu wissen, worin dann überhaupt der Sinn besteht. Der Sinn von irgendetwas, vom Großen, Kleinen, all dem Hartmetall und dem Festhalten. Sie haben mir immer nur das Wort allein buchstabiert, stet und bestimmt.
Ich weiß, was erzähle ich dir hier eigentlich. Aber Briefe kann ich nicht mehr schreiben und klar denken schon lange nicht mehr und ich wollte, dass du damit leben kannst. Wie viele unterschiedliche Realitäten wir wohl hatten, wie sehr und wie oft sich diese wohl noch in unserer Zukunft reformieren werden?
Meine Haut ist immer noch weich, ich hoffe, sie hat nicht schon begonnen sich zu zersetzen. Ich hoffe, du hast endlich herausgefunden, wer du bist.

and I'm not scared of your stolen power
see right through you any hour

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hej. alles, was du sagst, ist wichtig.

ich danke dir.